Bronzezeitlicher Ochsenkarren aus Anatolien
54.000 €
Verfügbar
Objektnummer
AR3120
Objekt: |
Bronzezeitlicher Ochsenkarren aus Anatolien
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Material: |
Kupfer. Blech und Vollguss.
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Datierung: |
Circa 2700 v. Chr. bis 1800 v. Chr. Frühe Bronzezeit II und III bis Mittlere Bronzezeit I in Südostanatolien. |
Beschreibung: |
Modell eines Wagens mit vorgespannten Ochsen, aus Südostanatolien.
Der Wagen besteht aus einem Gestell aus Bronzedraht, mit zwei seitlichen hohen Wänden aus Bronzeblech. Die Konstruktion ruht auf zwei Achsen mit vier Rädern aus Bronzeblech. Die Deichsel setzt an der vorderen Achse an und endet in zwei Haltevorrichtungen für Vieh. Zwei plastisch modellierte Ochsen aus massiver Bronze sind damit vor den Wagen gespannt. Beide Tiere haben einen langgestreckten Körper und ausladendes Gehörn. Augen und Schnauze sind in Kaltarbeit und mit Bohrungen gestaltet. Der Schwanz ist eingesetzt, die Hörner sind angelötet. |
Hintergrund: |
Vierrädrige Fahrzeuge waren die Hochtechnologie der Bronzezeit. Erste Hinweise darauf stammen aus dem späten 4. Jt. v. Chr. Bald darauf waren die Fahrzeuge bereits weit verbreitet im Zweistromland und der Technologietransfer bis nach Anatolien ließ im gut vernetzten Nahen Osten nicht lange auf sich warten. Die Wagen wurden von Ochsen oder Eseln gezogen und transportierten zunächst Güter und wohl Menschen. Schließlich revolutionierten die Gefährte auch die Landwirtschaft. Man denke nur an die Effizienzsteigerung durch Traktoren mit Verbrennungsmotor im 20. Jahrhundert. Ebenso müssen die gezogenen Karren damals einen Fortschrittsglauben katalysiert haben. Leider haben sich die eigentlichen Gespanne aus der Epoche nicht erhalten. Doch hier kommen die Bronzemodelle ins Spiel. Im Gegensatz zu den häufigeren Tonmodellen sind die Modelle aus Metall für die Forschung besonders wertvoll, denn sie verraten mutmaßlich etwas über den tatsächlichen Aufbau der Vorbilder in voller Größe. Lange war die genaue Herkunft der vorhandenen Bronzemodelle, sowie deren Datierung ein Rätsel. Wissenschaftliche Grabungen wurden nicht durchgeführt, die überlieferten Fundorte der Exemplaren aus dem Kunsthandel waren vage und nicht gesichert. Erst in den späten 1990er Jahren verbesserten neue Funde die Erkenntnislage (siehe den Artikel von Kulakoglu in unseren Literaturhinweisen). Sie deuten auf die türkische Provinz Sanliurfa in Südostanatolien. Dies deckt sich mit früheren Angaben jener Händler, die in den 1960er und 1970er Jahren Funde in Privatsammlungen und Museen brachten. Die auch für das hier beschriebene Exemplar vermutete Herkunft aus Südostanatolien erscheint somit äußerst plausibel. Die von uns angegebene Datierung stützt sich auf diese neusten Erkenntnisse. Aber wozu dienten die Modelle? Am wahrscheinlichsten ist, dass sie Verstorbenen mitgegeben wurden, damit diese in der Nachwelt über die neuste Technologie verfügen. Ein Glücksfall für heutige Forscher und Sammler. Die wenigen noch erhaltenen Modelle sind das einzige Überbleibsel der frühesten vierrädrigen Fahrzeuge der Menscheitsgeschichte. Das macht ihre Faszination aus. Mit einer Mischung aus Stolz und Ehrfurcht bieten wir Ihnen eine solche Rarität in unserer Galerie an. |
Maße: |
Nur der Wagen ohne Ochsen 33cm lang und mit Aufsatz 14,5cm hoch. Die Ochsen 14,5cm lang und 8,9cm hoch bzw. 14cm lang und 9,1cm hoch. Das komplette Gespann etwa 38cm lang. Das Gewicht beträgt über 1kg.
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Zustand: |
Die Ochsen aus massiver Bronze mit angesetztem Schwanz aus Draht hervorragend erhalten und mit einer starken Patina überzogen. Lediglich winzige Fehlstelle an einem Gehörn. Am Wagen sind die Axen, manche Stangen und die Deichsel modern wieder nachgefertigt und ergänzt. Die Bronzebleche und einige der dünnen Drähte sind original erhalten, mit diversen Fehlstellen, Biegungen und starker Patina. Den schönen Zustand verdankt das Gespann einer großartigen, professionellen Restaurierung im Jahr 1971 durch den bekannten Restaurator Ian McIntyre am British Museum. Dabei wurden womöglich auch Teile anderer Bronzewagen verwendet, um das Ensemble wieder in seinen Originalzustand zu versetzen. Es könnte sich um Teile aus derselben Fundgruppe handeln, wie im Abschnitt zur Provenienz beschrieben. Die Veröffentlichung von 1973 zeigt noch eine kleine Gruppe weiterer Teile von nicht zugehörigen Bronzewagen, die bei der Restaurierung nicht verwendet wurde. Die Einschätzung, dass es sich womöglich um Teile verschiedener Bronzewagen aus derselben Fundgruppe handelt, basiert auf dem Kenntnisstand der 1970er Jahre, dass die Proportionen von Rädern, Gestell und Seitenwänden nicht exakt zusammenpassen, außerdem passt die Einspannvorrichtung nicht zu den Ochsen. Die neuere Forschung zeichnet ein etwas anderes Bild. So beschreibt Kulakoglu eine Fundgruppe aus Anatolien, bei der sehr unterschiedliche Proportionen zu sehen sind, auch solche, die dem hier vorliegenden Gespann gut entsprechen. Die Frage, ob es sich um ein original zusammengehöriges Ensemble oder ein Pasticcio handelt ist somit wieder offen. In jedem Fall ist das Gespann beeindruckend durch seinen schönen Restaurierungszustand und die Größe. |
Provenienz: |
2020 durch uns im britischen Kunsthandel erworben. Zuvor im Bestand der renommierten Londoner Galerie Rupert Wace Ancient Art. Zuvor in der Londoner Sammlung P. Adam, Sammlungsnummer 358. Das Stück wurde von Adam im Jahr 1971 für die Sammlung erworben, bei der Galerie Edward Safani in New York, USA. Die Herkunft vor dem Verkauf durch Safani ist spekulativ. Mit dem Stück verknüpft ist jedoch die Überlieferung eines Fundes von zwanzig Karren dieser Art in Südostanatolien, in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Es ist durchaus möglich, dass dieses Gespann aus jener Fundgruppe stammt. Dabei könnten auch Teile unterschiedlicher Gespanne derselben Fundgruppe kombiniert worden sein. Ein Fundort in Südostanatolien ist jedenfalls äußerst plausibel und kann als sicher angesehen werden. Das Renommee Edward Safanis (1912-1998) ist derart, dass das British Museum über den Händler berichtet und von ihm zwischen 1934 und 1973 zahlreiche Objekte erwarb. Auch das Metropolitan Museum in New York zählte zu seinen Kunden. Es kaufte im Jahr 1966 einen Ochsenkarren aus Bronze, sehr ähnlich zu dem hier vorliegenden Exemplar (siehe Referenzen unten). Anatolien ist jenem Schwesterstück als Herkunfsregion zugewiesen. |
Publikationen: |
Dieses Exemplar ist publiziert in M. A. Littauer, J. H. Crouwel, Early Metal Models of Wagons from the Levant, in Levant 5 (Jerusalem, 1973), S. 105, Nr. 3 und Tafel XXXVI, A und B. Die Autoren waren ihrerzeit richtungsweisend auf dem Gebiet der ersten gezogenen Fahrzeuge des Nahen Ostens, dieser Artikel einer der meistzitierten des Forschungszweiges. Auktionskatalog Pierre Bergé "Archéologie" Paris, 25. Mai 2016, dort Losnummer 74. Der Ausrufpreis bzw. Schätzpreis betrug 62.000 EUR bzw. 65.000 EUR, d.h. circa 74.000 EUR bzw. 78.000 inklusive Aufgeld. Das Stück blieb unverkauft und wechselte den Besitzer nicht. |
Referenzen: |
Für ähnliche Stücke im Kunsthandel, vgl. Christie's London Auktion 1548 vom 2. April 2014, Los 30 (verkauft für 50.000 GBP, damals entsprechend 60.000 EUR), und vgl. Bonhams London Auktion vom 28. November 2018, Los 110 (verkauft für 50.000 GBP, damals entsprechend 56.000 EUR). Vgl. Metropolitan Museum of Art, Inventarnr. 66.15. Dies ist der oben erwähnte Karren, der vom Museum 1966 ebenfalls bei Safani erworben wurde. Er ist auch in Oscar Muscarellas Klassiker aufgenommen, Bronze and Iron: Ancient Near Eastern Artifacts in The Metropolitan Museum of Art, S. 414, Nr. 568. |
Literatur: |
Als aktuellen Artikel aus der archäologischen Forschung empfehlen wir Fikri Kulakoglu, Recently discovered bronze wagon models from Sanliurfa, southeastern Anatolia, in Anadolu / Anatolia 24 (2003), S. 63-77.
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Echtheit: |
Die Echtheit wird, wie bei allen unseren Objekten, ohne zeitliche Einschränkung garantiert. Speziell für dieses Objekt erwähnen Littauer und Crouwel in ihrem Artikel von 1973, dass sie das Gespann für echt halten. Es sei im Labor des British Museum und von ihnen persönlich daraufhin untersucht wurde.
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