In der Antike war die Oasenstadt Palmyra ein wichtiger Handelsposten auf einer Karawanenroute, welche sich von Damaskus bis zum Euphrat erstreckte. Der Name, den die Stadt erst in römischer Zeit bekam, leitet sich vom lateinischen "palma" = Dattelpalme ab. Heute liegt neben den Ruinen des antiken Palmyra die Stadt Tadmor.
Die frühesten Spuren der Anwesenheit von Menschen lassen sich bis ins Neolithikum verfolgen. Die Oase und die sie speisende östliche Quelle dienten dabei vermutlich als Kult- sowie als Badestelle. Aus der Bronzezeit (kontinuierlich von der Frühbronzezeit um ca. 2200 v. Chr. bis ins Ende der Spätbronzezeit im 12. vorchristlichen Jahrhundert reichend) stammen dann die ersten durch Grabungen nachgewiesenen Besiedelungsspuren im Osten des späteren Stadtgebiets. Diesen folgte eine etwa 1 Jahrtausend währende Siedlungslücke, nach der der Siedlungshügel (Tell) ca. 300 v. Chr. offenbar nivelliert wurde. Im 1. Jh. v. Chr. entstand an dieser Stelle der hellenistische Vorgänger des Hauptheiligtums von Palmyra, des Baal (oder Bêl)-Tempels. Der heute erhaltene Tempel entstand dann zwischen ca. 19 und 32 n. Chr. In byzantinischer Zeit wurde die Cella des Tempels zu einer christlichen Kirche umfunktioniert und schließlich im 12. Jahrhundert zu einer Moschee umgestaltet. Im Jahre 1875 zählte die Bevölkerung des befestigten Tempelbereichs noch ca. 800 Mann sowie eine 40 Mann starke Garnison. Unter der französischen Verwaltung wurde 1930-32 die Bevölkerung in ein neu angelegtes Dorf umgesiedelt und der Tempelbezirk geräumt.
Der zweite Siedlungsschwerpunkt lag im äußersten Westen bei einer zweiten Quelle. Eine urbane Besiedelung lässt sich bis ins 1. Jh. v. Chr. nachweisen, im 3. Jh. n. Chr. befand sich hier mutmaßlich der Palast der Fürsten von Palmyra (Odaenathus, Vaballaathus, Zenobia). Nach der Zerstörung Palmyras 272 n. Chr. durch die Truppen Aurelians baute Diokletian die Stadt 293 - 303 n. Chr. in einem kleineren Rahmen wieder auf und errichtete an dieser Stelle sein Truppenlager. Zur Blütezeit ihrer Entwicklung um die Mitte des 3. Jh. n. Chr. zählte Palmyra vermutlich 150.000 - 200.000 Einwohner. Schon ein halbes Jahrhundert später waren es unter Diokletian vermutlich nur 30.000 Einwohner, unter Justinian im 6. Jh. sogar gerade mal 15.000.
Den dritten Siedlungsschwerpunkt bildete das zwischen den beiden Polen gelegene Gebiet der Agora. Gegen Ende des 1. Jh. v. Chr. wurde das Stadtgebiet von einer aus Lehmziegel errichteten Stadtmauer umzogen. An der Ausfallstraße nach Damaskus befand sich vor dem Damaskustor die Südwestnekropole. Weitere große Nekropolen lagen im Südosten, Norden und Westen (das sogenannte "Tal der Gräber"). Im einfachsten Fall waren die individuellen Gräber durch eine Stele gekennzeichnet, welche den Namen des Verstorbenen trug. Aufwändiger gestaltete Monumente wurden zudem durch die Darstellung eines zwischen Palmenzweigen angebrachten Vorhangs und in einigen Fällen auch durch Portraits der Verstorbenen verziert. Hinzu kommen die monumentalen Grabbauten, welche einer oder mehreren Familien als Begräbnisstätte dienten. Beliebt war dabei die Darstellung von Bankettszenen, mehrere exzellent erhaltene Beispiele sind überliefert. Einzigartig im Nahen Osten ist die seit dem 1. Jh. n. Chr. greifbare Kombination von Grabturm und Hypogäum. Diese Grabtürme besaßen mehrere Stockwerke, die größten Anlagen bargen bis zu 3.000 Bestattungen, welche auf jeder Etage über- und nebeneinander lokalisiert gewesen sind. Die Grabstätten waren mit Steinplatten verschlossen, von denen einige ein Bildnis des Verstorbenen zeigten, während andere bildlos waren. Während die Anlagen von außen schmucklos waren, war ihr Inneres aufwändig dekoriert. Schließlich zu nennen sind die im 2. Jh. einsetzenden Hausgräber.
Nur wenig ist zu dem palmyrenischen Totenkult und dem Totenglauben überliefert. Aus der Ikonographie der Gräber wird vermutet, dass die Palmyrener den griechischen Seelenglauben teilten und damit an eine Trennung von Leib und Seele nach dem Tod glaubten, diese Annahmen lassen sich jedoch bislang nicht durch Inschriften belegen.
Charakteristisch und sehr bekannt sind die palmyrenischen Grabreliefs, welche fast ohne Ausnahme aus einem gelben oder hellgrauen Kalkstein gefertigt wurden. Bislang sind ca. 1000 Grabskulpturen bekannt, welche dazu dienten, die lokulusartigen Gräber zu verschließen. Nicht alle Darstellungen trugen dabei eine Inschrift. Kunsthistorisch sehr wichtig ist jedoch die Tatsache, dass sich die meisten beschrifteten Reliefs absolut datieren lassen, wodurch die Identifizierung einer Stilentwicklung und die Ableitung einer relativen stilistischen Chronologie möglich wird. So identifizierte H. Ingholt als erster drei chronologisch aufeinanderfolgende Stilgruppen (H. Ingholt, Studier over palmyrensk Skulptur (Kopenhagen 1928)). Generell zeigt die palmyrenische Kunst einen starken orientalischen, also vor allem parthischen Einfluss. Kennzeichnende Merkmale sind eine relativ starre Frontalität und eine lineare Bearbeitung, vor allem im Faltenwurf der Kleidung sowie in der Haartracht. Ein weiteres Merkmal sind die gebohrten Pupillen und die Wiedergabe der Augenbrauen als schmale Rillen oder in Form einer gedrehten Kordel.
Beispiele palmyrenischer Kunstwerke:
Porträtkopf einer palmyrenischen Frau. 2. Jh. n. Chr.
Palmyrenisches Grabrelief eines bärtigen Mannes. Die Inschrift benennt ihn als Hermes. 3. Jh. n. Chr.
Literatur:
Für eine ausführliche Geschichte von Palmyra, welche hier in den wichtigsten Zügen zusammengefasst ist, siehe: A. Böhme - W. Schottroff, Palmyrenische Grabreliefs (Frankfurt a. M. 1979)
A. Henning, Die Turmgräber von Palmyra: eine lokale Bauform als Ausdruck kultureller Identität (Köln 2001)
G. Degeorge, Palmyra (München 2002)
A.M. Nielsen, Katalog Palmyra samlingen ny Carlsberg Glyptotek (Kopenhagen 1993), exzellent strukturiertes Werk mit zahlreichen Belegstücken aus den drei Stilgruppen, chronologisch geordnet.
K. Tanabe, Sculptures of Palmyra (Tokyo 1986)
H. Ingholt, Studier over palmyrensk Skulptur (Kopenhagen 1928)